* Wiel =
Gemeinde am Ostfuße der
Koralpe zwischen Schwanberg und
Eibiswald
in der Steiermark.
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Der Ruße.
Ein gefangener Ruße, ein großmächtiger Mann,
beim Zenz (Vinzenz) in der Wiel* bekommt einen wehtuenden (schmerzenden) Zahn:
und er jammert und haust (lärmt und rumort), und der Doktor so weit,
und die Arbeit so gnädig (gnadenbringend - im erweitertem Sinn - dringend notwendig) und keiner (niemand) hat (justament) gerade Zeit,
daß dan = (daß man ihn dann) hinunter könnte führen bis auf (nach) Eibiswald hinein-
weil allein darf er nicht (gehen),
es muß ein
Wächter mit sein.
Zuletzt (am Ende) denkt sich die Bäurin, ich könnte es ja probieren,
es soll mein Hiaserl (Koseform von Hias, das ist die österr. Form von Hiesel als Kurzform von Mathias) den Rußen zum Zähnereißen führen.
(Daß ist ihr jüngstes Büblein [Sohn], gerade sechsjährig heute),
mit roten Wangen, kleinwinzig, aber
gescheit!).
Und sie ruft ihn vom Schafe weiden
heim (nach
Hause) von der Halte (Weide):
Stecke (ziehe) die Schuhe an,
du mußt hinunter zum Doktor zu
(nach)
Eibiswald!
Und ich lasse ihn schön grüßen und ich bitte ihn halt recht,
ob er nicht unserem Russen nicht
die Zähne
reißen möchte.
Und nimmst das Rucksäckchen mit,
bringst vom
Krämer (Kaufmann) einen Tee,
und eine schmiedeeisere Sterzpfanne
und einen
Kaffe *abgepackt in einem Paket* ( Kathreiner)
und um drei Kreuzer Zwirn und um
zwölf
Kreuzer Zimt
und frägst hinein beim Färber, ob
der
Blaudruck * blau bedruckter Schürzenstoff* bald kommt (einlangt)."
Auf (nach) Eibiswald braucht man
vier Stunden
(Zeit zum gehen). Ja und dort
sagt die Köchin vom Doktor: "schau
gerade ist er fort (gegangen)!"
Schafft (befiehlt) der Hiaserl den
Rußen:
"Da setze dich hinein in das Vorhaus und wartest, ich kaufe derweilen
(inzwischen) ein!"
Und der Ruße sitzt schon da und
sagt
"dobre" (gut) und lacht,
und derweilen hat der Hiaserl seine
Wege alle
gemacht.
Wie sie fertig sind, gehen sie
miteinander
schön gestad (leise, ruhig, still) wieder heimatzu. Da beginnt es zum
schneien
und wehen,
daß man die Hand vor den Augen
nicht mehr
sieht.
Und der Hiaserl wird müde, weil der
Rucksack
so zieht.
Diesen nimmt der Ruße über.
Und es schneit wie nicht gescheit,
und langsam wird es finster und der
Weg noch
so weit!
Der Hiaserl muß alle Weilchen
rasten im
Schnee,
möchte am liebsten schlafen und die
Füße
taten ihm weh.
Da nimmt der Ruße das Büberl ganz
still auf
den Arm,
hüllt den Mantel gut darüber und
trägt ihn schön
warm
über den Bach, durch den Wald, der
mit
Blochholz (Holzstämme) verräumt (versperrt),
und der Wächter hat geschlafen und
wunderschön geträumt
von der Regina ihrer Geis und vom
Christkindlbaum (Christbaum = Weihnachtsbaum)
und wann wohl der Vater vom Krieg
wieder
kommt;
und spürte es nicht, wenn der Ruße
ihn oft
heimlich drückt,
und wird richtig erst munter, wie
das
Torgatter (die Zauntür) zuckt.
Dort stellt er ihn schön
geschmeidig
(vorsichtig) auf die Füße vor dem Haus
(denn wie schaut den der Hiaserl
als Wächter
sonst aus!)
Und sie löffeln eine Suppe und die
Mutter war
froh,
und der Ruße krallt (hier kraxelt,
klettert
oder rutscht) gemütlich im Stadl in das Stroh,
und ist bacherlwarm (warm wie das Bachwasser im Sommer) gelegen,
derweilen der Schneewind hersalzt
(hersäht)
----- und hat geträumt, daß sein
Büberl in
Rußland ihn umhalst (liebkost).